VMÖ Kultur Event 2011
29. April 2011

Paquito & die Pferde

Am 29. April 2011 starteten die Gnome unter der Regie von Intschä und Chrische einen erneuten Anlauf zu einem gelungenen Kulturevent. Noch immer, so scheint es, wurde die perfekte kulturelle Veranstaltung, von allen Gnomen gleichermassen akzeptiert und geschätzt, nicht gefunden. Und auch der anstehende Besuch des Jazzfestivals in Bern schien diesem Ziel beziehungsweise Wunsch nicht entsprechen zu können. Denn das OK musste kurzfristig eine gewichtige Abmeldung verkünden. Jändu zog eine schweisstreibende, sich bis zum Kotzen verausgabende sportliche Höchstleistung einer gepflegten kulturellen Weiterbildung beziehungsweise einer nachhaltig bereichernden Horizonterweiterung vor. Warum in Gottes Namen, dieser kulturelle Verzicht erst derart kurzfristig dem OK mitgeteilt wurde bleibt ein Rätsel. Hat vielleicht das schlechtes Gewissen mitgespielt? Jedenfalls fehlten neben Jändu, bei dem im Gegensatz zu den meisten Menschen die Kulturaffinität mit zunehmenden Alter abzunehmen scheint, auch noch die beiden Auswanderer Pierre und Stef. Schade, denn gerade bei Letzterem besteht die Gefahr, dass in seiner neuen Heimat jedes einzelne seiner kulturellen Gene jämmerlich verkümmern wird.

Item, die restlichen sieben trafen sich zu Speis und Trank (schon wieder) in der Länggasse, dieses Jahr bei einem blauen Engel. Wie gewohnt wurde nicht nur getafelt sondern auch ausgiebig geschwafelt. Jändu wurde kurzerhand auf das papierene Tischtuch gemalt und war so trotzdem irgendwie anwesend. Nachdem die Bäuche gefüllt, die Flaschen gehöhlt und Wortgefechte gefochten waren, nachdem nicht mehr nur der Engel blau war entschieden wir uns zu einem vorsommerlichen Dessert in der Gelateria di Berna. Die Glace schmeckt toll, Luki nahm, so glaubt sich der Autor zu erinnern, „irgendöppis mit Beeri“ und das Beste: bezahlt wurde die süsse Nachspeise von unserer abwesenden Sportskanone Jändu. Merci. Zu Fuss ging es dann zum eigentlichen Schauplatz des Events, zu Marians Jazzroom. Dort hatte das OK zwei kleine Tische und ein paar Stühle unmittelbare neben der Mainstage reserviert. Der Musik und dem Lokal würdig wurde nicht etwa simpler Gerstensaft bestellt sondern es wurde sich mit bunten Drink-Kreationen, vom Cosmopolitan bis zum White Russian, zugeprostet.

Da waren wir nun, wohl genährt, trinktechnisch aufmunitioniert und warteten auf das Highlight des Abends: das Paquito D’Rivera‘s Tango Jazz Septett. Wir versprachen uns viel von diesem Konzert, denn wurde Paquito doch in der Lokalpresse als „kubanisches Wunderkind“ gepriesen. Erwartet werden durfte ein „Flirt mit dem Tango in Gegenwart einer triumphierenden Trompete“ gespielt von einer „argentinisch-kubanisch-schweizerische Tangoformation“. Na, wenn das nicht mal Lust auf mehr machen sollte.

Es sei vorweggenommen, die Vorschusslorbeeren lösten sich leider eher in Rauch denn in Schall auf. Die Musik passte uns nicht, das Septett konnte uns nicht überzeugen. Weder das Wunderkind höchstpersönlich mit Klarinette und Saxophon noch der zweite Bläser Gustavo Bergalli an der Trompete konnten das Publikum vom Hocker reissen, geschweige denn für eine Welle begeistern. Ihr Spiel war ganz einfach zu durchschaubar, zu plump und zu hölzern. Sie erhielten aber auch kaum Unterstützung aus dem Mittelfeld. Der Klangteppich von Michael Zisman am Bandoneon (so was wie eine Handorgel), von Daniel Zisman an der Violine und von Emilio Sola am Piano blieb zu diskret und zu farblos. Es fehlte an jeglicher Kreativität. Da nützte auch der volle Einsatz aus dem Backfield von Pablo Aslan am Bass nichts. Seine genauen Steilpässe an die Bläser im Sturm blieben zu oft unerreicht. Gar auf die Auswechselbank gehört David Silliman, der das Schlagzeug mit seinem „Bäseli“ streichelte als sei’s ne Jungfrau oder als wollte er sich für das Curlingteam von Pierre aufdrängen. Dieser Spieler hat in Marians Jazzroom schlicht nichts zu suchen.

Zugutehalten muss man dem Septett um Paquito, dass die Konzentration der Gnome auf den Jazz-Tango-Flirt womöglich durch einen kurz vor dem Konzert von Luki vorgetragenen Erlebnisbericht getrübt wurde. Die detailgetreuen, weitschweifigen und bildhaften Veranschaulichungen von seinem Ausflug auf einen deutschen Reiterhof haben sich tief in die Hirnrinde eines jeden anwesenden Gnoms gebrannt. Wie die Zuchtstuten und Deckhengste dort gehalten werden, widerstrebt jeglicher Vorstellungskraft. Es liegt auf der Hand, dass der eine oder andere Gedanke während des Konzertes zu Luki’s Begegnungen auf dem Reiterhof abschweifte. Im weitesten Sinne können aber auch sie als kulturelle Erfahrungen bezeichnet werden. Ob es sich dabei aber um die zu Beginn erwähnte „perfekte kulturelle Veranstaltung“ für die Gnome handeln würde, darf mehr als bezweifelt werden.

Und so soll dieser Bericht nicht mit einer melodiösen Beschreibung eines lüpfigen Saxophon-Solos von Paquito sondern mit dem eigentlichen Highlight des Abends, mit dem befriedigenden Bild einer glücklichen Stute und einem stolzen Hengst enden.

Phibä